Jörg Köhler

Als Lehrer vor der Klasse oder mit Frau und Sohn im Skatepark- Er ist viel mehr als ein Kumpeltyp; er ist ein Vorbild!
Ich nehme an dem Projekt teil, weil ...
Ich finde es unendlich wichtig, dass wir Betroffenen den Menschen in unserem Umfeld die Angst nehmen, die sie im Umgang mit uns haben. Meine Familie, meine Freunde, meine Kollegen, meine Schüler - alle sind zunächst unsicher gewesen, als ich im Rollstuhl aufgetreten bin. Sie kennen alle den "gesunden" Jörg, den Sportlehrer, den Draufgänger. Nun sitzt dieser Typ im Rollstuhl und alle glauben, dass er nun ein ganz armer Kerl ist. Bin ich aber nicht. Gar nicht! Mein Leben im und mit dem Rollstuhl ist ein neues Abenteuer für mich und ich freue mich auf viele neue (Grenz-)Erfahrungen mit den Menschen um mich herum. Das Leben ist nun anders, aber es macht (mir) ganz viel Spaß.
Ein Leben im Rollstuhl bedeutet für mich, ...
Es hat auch bei mir lange gedauert, bis ich mich an den Rolli herangetraut habe. Zunächst wollte ich dieses Ding nicht haben, nicht akzeptieren, nicht integrieren in mein Leben. In einem schleichenden Prozess habe ich das Laufen "verlernt". Ich sitze seit vier Jahren im Rollstuhl und finde das Ding mittlerweile richtig cool!! Ich probiere viele Sachen aus, die ich früher, als laufender Sportler, nicht gemacht habe. So ein "drop in" im Skatepark ist geil! Meiner Frau macht es oft Angst, wenn ich im Rolli sitzend Treppen runter fahre oder die Rolltreppe nutze. Der Rollstuhl ist für mich eine geniale Bereicherung. Ohne dieses Gerät wäre ich unendlich eingeschränkt in meinem Alltag. Dann bräuchte ich ständig jemanden, der mich unterstützt und mir Dinge abnimmt, der (für mich) mitdenkt. Ich kriege aber (fast) alles alleine hin. Mein Alltag ist so organisiert, dass ich ohne Einschränkung meinen Beruf ausüben kann, in Urlaub fahre, mich mit Freunden treffe und meine alte Leidenschaft, ständig Quatsch zu machen, ausleben kann. Mein Rolli ist mein Freund ;-) Der Rolli ist für mich ein Medium, um meinem Umfeld zu zeigen, dass viele "Nein, das geht doch nicht" zunächst und oft auch nur im Kopf stattfinden. Im Rolli sitzend merke ich häufig, dass ich Menschen motivieren kann. Wenn ich Fortbildungen halte, kriege ich im Anschluss daran immer die Rückmeldung, dass ich so authentisch und Angst nehmen auftrete. Schön, dass das so ist. Ein Leben im Rollstuhl bedeutet für mich, ohne das "Nein" und "Aber" zu leben. Und: Das Leben macht Spaß ...
Meine Freizeit verbringe ich am liebsten ...
In meiner Freizeit lese ich total gerne Krims oder Thriller. Ich bin auch ein Serienjunkey und liebe es, mich auf verrückte Geschichten im Film, aber auch im richtigen Leben, einzulassen. Ich bin sehr aktiv in meinem Rolliverein, dem Turnverein Laubenheim 1883 e.V., und engagiere mich dort als Übungsleiter. Dieser Termin, einmal pro Woche, gibt mir ganz viel. Obwohl eine anstrengende Woche zu Ende gegangen ist, starte ich jeden Freitag nach der Schule ins Kindertraining und engagiere mich für Kinder zwischen 3 und 17 Jahren. Wir lachen, träumen, spielen, trainieren und alles ist einfach nur gut! Auch für die Eltern ist dieser Termin ganz wichtig, weil sie erleben, dass ihr Kind, meist mehrfach beeinträchtigt, endlich frei ist und so akzeptiert wird, wie es ist. Ich düse gerne mit dem Handbike durch die Gegend und freue mich darauf, einmal im Monat in eine Skatehalle zu fahren, um mich dort ständig neuen Herausforderungen zu stellen. Ich liebe es, mich mit dem Rolli auszuprobieren. Schön, wenn da ein Bordstein ist, der scheinbar viel zu hoch ist für so einen alten Sack, wie mich ... Außerdem bin ich großer Fan von Mainz 05 und besuche, gemeinsam mit meinem Sohn, die Heimspiele des Vereins. Wir feuern dann im Rollibereich des Stadion die 05er an und manchmal bringt unser Anfeuern auch etwas. Naja, halt nicht immer ;-)
Wenn ich eine Superheld wäre, dann wäre ich ...
Wieso "wäre"?! Für meinen kleinen Sohn bin ich ein Superheld und auch für die Kiddies aus dem Kindertraining, denn trotz Rollstuhl ist Spaß und Lachen im Leben erlaubt. Es ist wunderbar, selbst zu spüren, dass ich mit meiner Art und meinem Dasein andere motivieren kann, das Leben zu lieben, egal ob mit oder ohne Rollstuhl. Als Superheld wäre ich gerne die Maus aus Tom und Jerry. Ich liebe diese Zeichentrickserie. Wie genial, dass die kleine Maus keine Angst hat und sich mit jedem und allem anlegt. Eigentlich hat sie ja keine Chance, doch sie probiert es immer wieder und sie steht immer wieder auch auf. Ein Draufgänger, ein Haudegen, das ist für mich die kleine Maus, mein Superheld.
Was ich schon immer mal sagen wollte
Wenn ich die Antworten hier lese, bin ich stolz, dass ich mittlerweile so weit bin, ganz authentisch solche Antworten geben zu können. Das war nicht immer so! Denn es hat zwei Jahre gedauert, in denen ich in einem Selbstzweifel-Sumpf gefangen war und nichts mehr wollte, als mich zu verstecken. Das Leben habe ich zwei Jahre lang in Frage gestellt und nun lebe und liebe ich es wieder. Ich zeige mich und spüre eine riesengroße Erleichterung bei mir und auch in meinem Umfeld! Immer schon mal wollte ich meiner Frau dafür danken, dass sie selbst das Rollstuhlfahren gelernt hat und mit mir #Rollstuhlsport treibt. Danke auch meinem 10-jährigen Sohn, der hoffentlich völlig gesund, nun auch einen eigenen Rollstuhl hat, um mit mit Sport zu treiben, oder in den Skatepark zu gehen ... Mein Lebensmotto ist, dass es kaum Grenzen gibt. Ich kann so viel mehr, als ich denke und genau das gebe ich meinem Umfeld weiter: Du kannst mehr, als du denkst.